Liebe Interessierte an unseren Konzeptionen und unseren Schutzkonzepten,
da in letzter Zeit vermehrt Fragen bezüglich sexualpädagogischer Konzepte in Kindertageseinrichtungen aufgetaucht sind, haben wir uns entschieden, hier detaillierter auf diesen Bereich unserer Konzeptionen einzugehen.
Hierzu haben wir unter 1. eine Stellungnahme verfasst, in der die wichtigen Punkte kurz zusammengefasst zu finden sind.
Sie finden hier außerdem unsere Schutzkonzepte, die sehr genau auf unseren Schutzauftrag bezüglich der jungen Menschen eingehen.
Bitte beachten Sie, dass sich dieses noch in Arbeit befinden und noch final fertig gestellt werden müssen. Allerdings haben wir uns entschlossen, diese schon vor Beendigung zu veröffentlichen. So können diesbezügliche Fragen beantwortet werden.
Um die Einbettung unseres sexualpädagogischen Schutzkonzeptes in die Auftragsstellung von Öffentlichkeit und Wissenschaft darzustellen, haben wir unserer Stellungnahme fachliche Hintergründe und Quellen hinzugefügt.
Außerdem haben wir unter 2. ein FAQ erstellt, bei dem auf weitere Fragen eingegangen wird.
Sie können uns gerne weitere Fragen zukommen lassen. Dies ist entweder per Mail, per Nachricht hier auf unserem Internetauftritt oder auch gerne telefonisch möglich. Wir werden das FAQ dann gegebenenfalls ergänzen.
Außerdem plant das Familienzentrum St. Leon-Rot eine Veranstaltungsreihe zum Thema Kinderschutz. Dort werden wir die Thematik aufgreifen und Ihnen weitere Informationen zur Verfügung stellen.
1. Stellungnahme zur Notwendigkeit eines sexualpädagogischen Konzeptes
Sehr geehrte Lesende,
in letzter Zeit wurde immer wieder der sexualpädagogische Teil unserer Konzeptionen in Frage gestellt.
Aus diesem Grund möchten wir hier Stellung dazu nehmen.
Zunächst möchten wir darauf verweisen, dass unsere Konzeptionen und unsere Schutzkonzepte dem KVJS vorliegen und dort geprüft wurden.
Die Inhalte unserer Konzeptionen und unserer Schutzkonzepte entsprechen den heutigen fachlichen und wissenschaftlichen Standards und erfüllen somit die Vorgaben des Orientierungsplanes Baden-Württemberg sowie die Vorgaben des KVJS zum Schutzkonzept
Es ist uns wichtig in unseren Konzeptionen alle Bereiche unserer pädagogischen Arbeit offen abzubilden. Ein gesundes Körpergefühl und die Entwicklung einer gesunden Sexualität gehören hier zu einer ganzheitlichen pädagogischen Arbeit.
Des Weiteren gehört ein gesunder Umgang mit diesen Themen zu einer erfolgreichen Präventionsarbeit, um sexualisierter Gewalt vorzubeugen. Das Erkunden kindlicher Sexualität spielt in jeder Kindertageseinrichtung eine Rolle. Wir vertreten die Ansicht, dass die verantwortungsvolle und bewusste Begleitung dieser Entwicklungsphasen einen unabdingbaren Teil unserer Arbeit darstellt. Dies wird zudem vom Orientierungsplan Baden-Württemberg explizit gefordert.
Zur Verdeutlichung möchten wir Ihnen noch einige fachliche Anhaltspunkte und Informationen zur Thematik geben. Selbstverständlich mit Quellenangaben.
Das KVJS fordert bei der Erstellung des Gewaltschutzkonzeptes unter anderem das Folgende:
„Eindeutige Positionen, transparente Abläufe
und spezifische Verhaltenskodizes (Verhaltensregeln zur Klarstellung, wie sich Mitarbeitende rechtlich korrekt, ethisch und sozial verhalten sollen, um die Sicherheit und das Wohl der Kinder zu
gewährleisten) dienen als Teil eines Konzeptes dem Schutz der Kinder. Insbesondere geht es um
· einen bewussten Umgang mit Macht und Machtmissbrauch im Kontext des pädagogischen Gefälles,
· einen achtsamen Umgang mit Nähe und Distanz,
· eine Angemessenheit von Körperkontakt,
· die Achtung der Intimsphäre von Kindern,
· den Schutz vor Gewalt, insbesondere vor verbaler-, nonverbaler-, sexueller-, physischer- und psychischer Gewalt sowie Vernachlässigung
· den Umgang mit Verhaltensherausforderungen, Sexualität, Inklusion,
…“
Quelle: https://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/jugend/Kindertageseinrichtungen/Kinderschutz/Orientierungseckpunkte_Kinderschutzkonzept.pdf, S.4, Punkt „Prävention“
Außerdem soll laut KVJS bei der Erstellung des Konzeptes auf die folgenden Punkte eingegangen werden:
· „Welche Vorstellungen und Konzepte zur Sexualerziehung gibt es in der Einrichtung?
· Wie wird mit ungewöhnlichem Nähe- und Distanzverhalten von Kindern umgegangen?
· Wir wird auf verschiedene Haltungen und Einstellungen gegenüber dem Thema kindliche Sexualität reagiert?“
Quelle: https://www.kvjs.de/fileadmin/publikationen/jugend/Schutz-von-Kindern_27.12.pdf, S. 16, Punkt „Pädagogische Prävention und sexualpädagogisches Konzept“
Im Bildungs- und Orientierungsplan des Landes Baden-Württemberg ist unter anderem folgendes festgehalten:
„Ziele für das Bildungs- und Entwicklungsfeld „Körper“:
… entdecken ihre Sexualität und die Geschlechterunterschiede und erleben Behutsamkeit, Respekt und Gleichwertigkeit im sozialen Miteinander von Jungen und Mädchen“
Quelle: https://kindergaerten.kultus-bw.de/site/pbs-bw-km-root/get/documents_E502939660/KULTUS.Dachmandant/KULTUS/Projekte/kindergaerten-bw/Oplan/Material/KM-KIGA_Orientierungsplan_2011.pdf
Außerdem noch einige Fakten, die die heutigen wissenschaftlichen Standards wiedergeben:
Grundverständnis der kindlichen Sexualität
„Kindliche Sexualität kann keinesfalls mit dem Verständnis der Erwachsenensexualität gleichgesetzt werden. Kinder unterscheiden nicht zwischen Sinnlichkeit, Zärtlichkeit und Sexualität, da kindliche Sexualität als ganzheitliche Äußerung mit allen Sinnen zu verstehen ist.“
Quelle: Maywald, J. (2016): Kinderrechte in der KiTa. Kinder schützen, fördern, beteiligen. ISBN: 978-3-451-34850-1. (S. 64) [Prof. Dr. Jörg Maywald, Experte für Kinderrechte und Kinderschutz und u.a. Referent für den KVJS] und
„Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis, das von Geburt an Bestandteil der menschlichen Entwicklung ist und ausschließlich dem spontanen und unbefangenen Ausprobieren und Kennenlernen des eigenen Körpers ist. Wichtig hierbei ist zu beachten, dass sich Sexualität je nach Alter, Reife und Entwicklungsstand auf unterschiedliche Art und Weise äußert.“
Quelle: Maywald, J. (2018): Sexualpädagogik in der KiTa. ISBN: 978-3-451-38255-0. (S. 18) [Prof. Dr. Jörg Maywald, Experte für Kinderrechte und Kinderschutz und u.a. Referent für den KVJS]
Unterschied Kindliche Sexualität – Erwachsenensexualität
Kindliche Sexualität |
Erwachsenensexualität |
Erleben des Körpers mit allen Sinnen |
Eher auf genitale Sexualität ausgerichtet |
Sexuelle Handlungen werden nicht bewusst als Sexualität wahrgenommen |
Bewusster Bezug zu Sexualität |
Wunsch nach Nähe und Geborgenheit |
Verlangen nach Erregung und Befriedigung |
Nicht auf zukünftige Handlungen ausgerichtet |
Auf Entspannung und Befriedigung hin orientiert |
Spielerisch, spontan |
Absichtsvoll, zielgerichtet |
Quelle: Maywald, J. (2018): Sexualpädagogik in der KiTa. ISBN: 978-3-451-38255-0. (S. 18) [Prof. Dr. Jörg Maywald, Experte für Kinderrechte und Kinderschutz und u.a. Referent für den KVJS]
Zusammenhang von Sexualpädagogik und Prävention von (sexualisierter) Gewalt
„Ein ganzheitliches Konzept von Sexualpädagogik sieht sowohl auf der einen Seite die Aufklärung und Bildung hinsichtlich kindlicher Sexualität im Erwerb von Wissen und Erfahrungen über den eigenen Körper vor. Und auf der anderen Seite das Entwickeln eines Gespürs für den eigenen Körper und damit verbunden das Wahrnehmen und Aufzeigen von Grenzen. Dementsprechend vernachlässigt Sexualpädagogik, wenn sie nur auf den Bildungsaspekt abzielt die Schutzbedürfnisse und Schutzrechte der Kinder. Für die Bildung wird ein sicherer und schützender Rahmen benötigt, in dem Kinder ihrem Wissensdurst adäquat nachgehen und ihre entwicklungsbezogen benötigten Erfahrungen machen können.“
„Eine Sexualpädagogik, die wiederum nur auf Schutz und Abwehr ausgerichtet ist, verhindert folglich essentielle Bildungserfahrungen, die für die Prävention von sexuellen Übergriffen unabdingbar ist.“
„Selbstständige Kinder, gut aufgeklärte Kinder, Kinder, die Begriffe für die Genitalien haben, und Kinder, die den Mut haben, sich Hilfe zu holen, sind besser gewappnet. Insofern gehört eine frühe, altersadäquate Sexualaufklärung zu den zentralen Strategien in der Prävention sexuellen Missbrauchs. (Fegert & Liebhardt, 2012, S. 21).“
Quelle: Maywald, J. (2018): Sexualpädagogik in der KiTa. ISBN: 978-3-451-38255-0. (S. 18) [Prof. Dr. Jörg Maywald, Experte für Kinderrechte und Kinderschutz und u.a. Referent für den KVJS]
Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dieser Stellungnahme einige Einblicke in die Hintergründe unserer Konzeption geben konnten. Unsere Konzeptionen und die Schutzkonzepte unserer Einrichtungen finden Sie offen zugänglich auf unserer Webseite. Aufgrund der aktuellen Fragen haben wir unseren Internetauftritt zudem um einige weitere Informationen ergänzt.
Zögern Sie nicht, sich bei Fragen an uns zu wenden.
Mit freundlichen Grüßen
Die Waldwichtel St. Leon-Rot e.V.
2. FAQ
Warum gibt es ein sexualpädagogisches Konzept bei uns?
Der Orientierungsplan Baden-Württemberg sowie das KVJS (Landesjugendamt) fordern von jeder Kindertageseinrichtung die Auseinandersetzung und Implementierung eines Konzeptes zum Umgang mit kindlicher Sexualität. Ein sexualpädagogisches Konzept bietet eine fundierte Grundlage für die pädagogische Arbeit.
Was bedeutet das Konzept im Alltag?
Durch das Sexualpädagogische Konzept wissen Kinder und Fachpersonal, wie sie sich verhalten dürfen und wie nicht. Es bietet Kindern und pädagogischem Fachpersonal Leitlinien.
Werden Kinder damit sexualisiert aufgezogen?
Nein. Sie lernen einen gesunden Umgang mit ihrem Körper sowie ihren eigenen Grenzen und den Grenzen anderer.
Die Sexualität von Erwachsenen hat nichts mit der Sexualität von Kindern gemeinsam und hat in diesem Rahmen keinen Platz.
Wird damit nicht Missbrauch gefördert?
Im Gegenteil. Durch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und den eigenen Grenzen wird grundlegende Prävention gegen sexualisierte Gewalt geleistet.
Auch führt die Enttabuisierung dazu, dass die Kinder offen über diese Themen sprechen können. Wir vermitteln den Kindern, dass sie sich bei Bedarf an unsere pädagogischen Fachkräfte wenden dürfen und sollen.
Wie soll das gehen, wenn auf der einen Seite die Kinder „in Ruhe gelassen“ werden, auf der anderen Seite aber Regeln gelten sollen?
Die Verhaltensregeln für diese Art von Rollenspielen werden regelmäßig mit den Kindern thematisiert. Wir stellen sicher, dass diese Regeln allen Kindern im Vorfeld bekannt sind. Dadurch haben sie im konkreten Fall diese parat.
Wenn ein Kind in dieser Phase ist, achten die pädagogischen Fachkräfte auf Machtverhältnisse und Entwicklungstand der beteiligten Kinder.
Was machen wir, wenn Kinder gegen die Regeln verstoßen?
Sollten Kinder gegen diese Regeln verstoßen, wird das mit den entsprechenden Kindern thematisiert. Die Betroffenen Eltern werden unabhängig voneinander in die Aufarbeitung mit einbezogen. Es findet eine offene und ehrliche Kommunikation statt.
Wir reflektieren auch, welche Bedingungen zu dem Regelverstoß geführt haben, um diesen in Zukunft zu vermeiden.
Ist das Verhalten der Kinder normal?
Ja. Sexualität ist ein menschliches Grundbedürfnis, welches von Geburt an Bestandteil der menschlichen Entwicklung ist. Je nach Alter, Reife und Entwicklungsstand äußert sich diese auf unterschiedliche Art und Weise.
Machen die Kinder das jeden Tag?
Nein, es handelt sich hierbei um eine Entwicklungsphase, die nicht grundsätzlich bei jedem Kind gleichstark ausgeprägt ist.
Was machen wir sonst noch gegen sexuellen Missbrauch?
Wir haben ein ausführliches Schutzkonzept, in welchem Risiken analysiert und daraufhin präventive Maßnahmen ergriffen werden.
Unser pädagogisches Personal wird regelmäßig hierzu geschult. Wir haben zudem eine konkrete Vorgehensweise bei Verdachtsfällen in unseren Einrichtungen.
Grundlage aller unserer Einrichtungen ist, die Kinder bei Ihrer Entwicklung zu selbstbewussten und selbstbestimmten Persönlichkeiten zu begleiten und zu unterstützen.
Wie ist das in anderen Einrichtungen geregelt?
In Einrichtungen anderer Träger müssen deren Konzepte dort nachgefragt werden. Bestimmte gesetzliche Vorgaben, wie beispielsweise der Orientierungsplan, die Vorgaben des KVJS und vor allem der Schutzkonzepte sind für alle Einrichtungen verpflichtend.
Spielen die Kinder Geschlechtsverkehr nach?
Nein. Erwachsene Formen von Sexualität (z.B. Geschlechtsverkehr) sind nicht kindgerecht und dementsprechend ist es den Kindern nicht erlaubt, diese nachzuspielen. Hierfür gibt es verbindliche Regeln.
Wo finde ich weiterführende Informationen zu diesem Thema?
1. Buchtipp: „Kindeswohl in der Kita“, „Kinderrechte in der Kita“, beide von Jörg Maywald.
Werden die Kinder dazu animiert Körpererkundungsspiele durchzuführen?
Nein. Es handelt sich dabei, um eine Phase der kindlichen Entwicklung. Diese ist bei den einzelnen Kindern unterschiedlich ausgeprägt.
Gibt es einen speziellen Raum für Körpererkundungsspiele?
Nein.